Profigamer vorm PC

E-Sports sind mittlerweile so populär, dass sie ganze Stadien füllen. Das wusste ich lange nicht. Und auch sonst war mir einiges unklar in Bezug auf die Gaming-Welt. Was ich in der Zwischenzeit dazu gelernt habe, möchte ich heute mit euch teilen. 

Alles nur ein Spiel?

Wenn es darum geht, ob die Inhalte eines Games wirklich ok sind, sagen Kinder gerne: „Ist ja nur ein Spiel.“ Wenn man dagegen möchte, dass das Zocken unterbrochen wird und das Spiel gerade an einer besonders wichtigen oder spannenden Stelle ist – und das ist es in diesen Momenten irgendwie immer – dann kommen die drei magischen Worte „nur ein Spiel“ gar nicht gut an. Zorn, Wut, Ärger oder Kopfschütteln ist alles, was man erntet. Von Verständnis keine Spur. In diesen Momenten ist es dann eben doch mehr als nur ein Spiel.

Dafür wiederum haben wir Eltern dann meist nur wenig Verständnis. Regeln und Zeiten sollen bitte eingehalten werden. Manche Dinge sind einfach wichtiger als Spiele, das müssen doch auch unsere Kinder verstehen. Denkste. Wie wenig Verständnis ich auf der anderen Seite für das Hobby Gaming habe, ist mir aber tatsächlich erst durch meinen Mann bewusst geworden.

Computerspielen im Stadion?

Stadion leere Sitzreihen, Plastiksitze

Eines Tages – wir waren noch nicht so lang zusammen – sagte er zu mir, dass er mit seinem Bruder ins Stadion fährt, zu irgendeinem Gaming-Event. Ich war überrascht, dass in einem Basketballstadion so ein Event stattfindet. Ich stellte mir das Ganze wie eine kleine Gaming Messe vor, auf der man auch selber spielen kann. Später erfuhr ich dann, dass es dabei gar nicht darum ging, selbst zu spielen, sondern nur darum, anderen beim Spielen zuzusehen. Und noch viel später habe ich erst verstanden, dass man dort auch gar nicht zwischen den Spielern rumgehen kann und eventuell mit diesen reden oder beim Spielen über die Schulter schauen kann. Nein, man sitzt tatsächlich brav auf seinem Platz und verfolgt das Spielgeschehen auf großen Displays, während man gleichzeitig von oben herab die Spieler betrachten kann, wie sie konzentriert und nahezu regungslos an ihren Bildschirmen sitzen und tippen und klicken.

Heute weiß ich, dass es das League of Legends Tour-Finale zweier deutscher Profi-Mannschaften war, was er sich da angesehen hat. Und 1200 Besucher mit ihm. Dass es Profi-Gamer gibt, war mir zwar irgendwie schon klar gewesen, aber nicht, welches Ausmaß entsprechende Veranstaltungen annehmen können. Und was genau E-Sports sind, wusste ich lange auch nicht.

Was sind E-Sports?

Hätte man mich früher gefragt, ich hätte wahrscheinlich gesagt: E-Sports sind Video- oder Online-Spiele, in denen man Sportarten wie Fußball und Basketball nachspielt. Und auch wenn solche Sportsimulationen ebenfalls in das Genre gehören, geht es bei den großen E-Sport-Turnieren um ganz andere Spiele, sogenannte Echtzeit-Strategiespiele. Gemeint ist mit dem Begriff E-Sports nämlich nur der sportliche Wettkampf mit Computerspielen. In der Regel wird dieser Wettkampf im Mehrspielermodus eines Computerspieles ausgetragen. Und wie bei „richtigem“ Sport gibt es auch hier Mannschaften, Trikots und Sponsoren genauso wie Zuschauer und Fans. Und eben auch gut gefüllte Zuschauerbänke.

🏆 LoL Worlds

Eines der größten und beliebtesten dieser Turniere sind die LoL Worlds, also die Weltmeisterschaft des Spiels League of Legends. League of Legends ist ein kostenfreies Computerspiel aus dem MOBA-Genre. MOBA steht für Multiplayer Online Battle Arena. Es handelt sich also um ein Onlinespiel mit Mehrspielermodus und einer Kampfarena, in der sich die Spielhandlung vollzieht. Konkret treten bei LoL zwei Teams, bestehend aus je fünf Spielern, gegeneinander an und versuchen, die Basis der gegnerischen Mannschaft zu zerstören.

2021 knackte die LoL-Weltmeisterschaft erstmals die 4-Millionen-Marke an Zuschauern und brach damit alle Rekorde. Die wachsende Begeisterung für E-Sports schlägt sich aber auch im Preisgeld nieder. Auf das Siegerteam warten dieses Jahr mindestens 489.500 US-Dollar. Die Summe könnte allerdings noch steigen. Denn Riot Games, Veranstalter des Großevents und zugleich Entwickler des Spiels, hat auch schon in der Vergangenheit Preisgelder mit Einnahmen aus den in-App-Käufen genutzt, um hier nochmal ordentlich aufzustocken. Somit finanzieren normale Spieler und Fans die Profis. Die enge Verbundenheit spürt man auch im Stadion, die Stimmung dort lässt sich mit der von anderen sportlichen Großereignissen messen. Einen ersten Eindruck davon könnt ihr euch in diesem Video von den Worlds 2022 in Nordamerika machen. 

Ankündigung der LoL Worlds 2022

🏆 The International 

Wo wir gerade beim Thema Preisgeld sind, darf auch dieses Großevent nicht ungenannt bleiben. The International ist das weltweit höchstdotierte E-Sports-Event. 2020 umfasste der Preispool knapp über 40 Millionen US-Dollar. Eine Rekordsumme, die auch in den Folgejahren nicht übertroffen wurde. Obwohl das Turnier vom Spieleentwickler Valve selbst organisiert wird, kommt auch hier das meiste Geld von den Fans. Ihre Einkäufe im Spiel machen den größten Anteil des Preisgeldes aus. Das Spiel, das bei diesem Turnier gezockt wird, heißt Dota 2 und gehört ebenfalls zum MOBA-Genre. Auch hier treten Teams mit jeweils fünf Spielern gegeneinander an. The International ist nicht nur das höchstdotierte sondern auch das prestigeträchtigste Turnier. Dennoch gibt es sowohl für Dota 2 als auch für LoL noch zahlreiche weitere Turniere sowie E-Sport-Turniere auf denen verschiedene Spiele gespielt werden. 

Sind E-Sports wirklich Sport? 

Diese Frage ist umstritten, auch wenn es in der Tat viele Parallelen zu herkömmlichen Sportarten gibt. Schließlich kommt es auch bei E-Sports auf Reaktions- und Handlungsschnelligkeit, Zielgenauigkeit sowie Taktik und Zusammenspiel im Team an. Das klingt schon sehr nach Sport. Schaut man sich dagegen an, wie die Spieler in voller Konzentration oft nahezu regungslos vor ihren Tastaturen oder an den Controllern sitzen, denkt man vielleicht weniger an Sport im herkömmlichen Sinne. Und so verwundert es auch nicht, dass der Deutsche Olympische Sportbund E-Sports bislang als Sport ablehnt.

Dennoch, die Parallelen sind da. Nicht nur im Wettkampf. Auch die Vor- und Nachbereitung und der Weg zum Profi-Dasein ähneln stark den „normalen“ Sportarten. So bedarf es neben einer Portion Talent und großer Begeisterung für das Spiel etwa acht bis zwölf Stunden Training pro Tag. Eine Ausbildung zum E-Sportler gibt es auch nicht, hier ist Fleiß und Geduld gefragt und die kontinuierliche Teilnahme an kleineren Turnieren, bis man irgendwann in den Fokus der Profi-Teams gerät. Hat man es dann irgendwann ganz nach oben geschafft, erwarten einen verlockende Preisgelder und Ruhm. Doch auch die sind oft zeitlich begrenzt, da unsere Reaktionsgeschwindigkeit ebenso wie die Fähigkeit zu sportlichen Höchstleistungen mit zunehmenden Alter nachlässt.

👉 Liveübertragung

E-Sports-Turniere werden ebenfalls live online übertragen und dabei professionell kommentiert. Nur nennt sich das im Gaming-Bereich dann nicht mehr Kommentator, sondern Caster. Manche Caster sind sogar genauso beliebt wie die Profi-Spieler. Wer einmal in so eine Übertragung reinhört, wird schnell feststellen, dass sie auch fast so klingen wie die Kommentatoren bei einem Handball- oder Basketballspiel. Nur eben auf Englisch.* Und auch an Werbepartnern mangelt es nicht. Zu den bekannten Sponsoren zählen beispielsweise Mercedes-Benz, DHL, Intel, Monster Energy und viele weitere, meist global agierende Unternehmen.

Ich hoffe, ich konnte euch die Welt der E-Sports heute etwas näher bringen. Für mich bleibt es immer noch ein Rätsel, was andere daran spannend finden. Aber ich akzeptiere, dass es so ist. Und dass es noch dazu ein richtiger Berufszweig geworden ist, der immer mehr wächst. Auch wenn ich nicht traurig wäre, wenn meine Kinder keine Profi-Gamer werden.

*Wenn eure großen Kinder also Spaß daran haben, stundenlang zuzusehen, wie andere zocken, verbessern sie dabei immerhin noch ihr Englisch. Aber Achtung: LoL und Dota 2 sind ab 12 Jahren freigegeben. Andere beliebte Games für E-Sport-Turniere wie z.B. Call of Duty dagegen erst ab 18 Jahren. Hier sollte man also schon genau darauf achten, welche Spiele sie sich ansehen. 

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